Pflege lebt von Vielfalt - Doch Rassismus steht vielen Fachkräften im Weg
- Alisha Walpen
- 4. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Pflege bedeutet Fürsorge, Menschlichkeit und gegenseitigen Respekt. Doch leider erleben viele Pflegefachpersonen rassistische Diskriminierung im Arbeitsalltag, sei es aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder anderen äusserlichen Merkmalen.
Rassismus ist nicht nur ein gesellschaftliches Problem, sondern auch eine reale Herausforderung im Gesundheitswesen, die dringend angesprochen werden muss.
In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick auf Rassismus in der Pflegebranche: Welche Formen der Diskriminierung gibt es? Wie wirkt sich Rassismus auf den Pflegealltag aus? Und welche politischen sowie strukturellen Massnahmen sind notwendig, um ein respektvolles und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen? Zudem betrachten wir Studien und Berichte aus der Schweiz, Deutschland und Österreich, die zeigen, dass Rassismus in der Pflege nicht nur Einzelfälle betrifft, sondern ein weit verbreitetes Problem ist, das dringend angegangen werden muss.
Definition von Rassismus
Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem, das sich in vielen Lebensbereichen zeigt, leider auch in der Pflege. Laut Duden ist Rassismus eine „(meist ideologischen Charakter tragende, zur Rechtfertigung von Rassendiskriminierung, Kolonialismus o. Ä. entwickelte) Lehre, Theorie, nach der Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen oder ethnisch-kulturellen Merkmalen anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen sein sollen“.
Einfach gesagt bedeutet das: Rassismus ist die falsche und gefährliche Vorstellung, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens mehr oder weniger wert sind als andere. Diese Denkweise führt zu Diskriminierung und Ungerechtigkeit und hat in der Pflege nichts verloren.
Am 21. März fand der Internationale Tag gegen Rassismus statt. Ein wichtiger Anlass, um darauf aufmerksam zu machen, dass Diskriminierung in keiner Form akzeptabel ist. Besonders in der Pflege, wo Menschlichkeit und Respekt im Mittelpunkt stehen, ist es entscheidend, sich aktiv gegen Rassismus einzusetzen. Doch es braucht mehr als einen Aktionstag, um Veränderungen herbeizuführen: Es braucht eine klare politische Haltung und strukturelle Verbesserungen im Gesundheitswesen.

Unsere Spitex lebt Vielfalt
Unser Team ist international. Wir haben Mitarbeiter:innen aus verschiedenen Ländern, die zusammen mehr als zehn Sprachen sprechen. Vielfalt ermöglicht es uns nicht nur, bestehende Klient:innen zu betreuen, die kein Deutsch sprechen oder sich in ihrer Muttersprache wohler fühlen, sondern auch Menschen zu beraten, die neu in der Schweiz sind und sich mit unserem Gesundheitssystem noch nicht zurechtfinden.
Gerade in der Beratung zeigt sich der Wert dieser Mehrsprachigkeit besonders deutlich: Einige Menschen wissen gar nicht, dass es Spitex-Dienste überhaupt gibt, und hätten ohne unsere Informationen möglichweise keine Möglichkeit gehabt, zu Hause zu bleiben.
Sprache ist in der Pflege nicht nur ein Mittel zur Verständigung, sondern auch ein Ausdruck von Vertrauen und Würde. Unsere Vielfalt ist deshalb nicht nur ein organisatorischer Vorteil, sondern ein menschlicher Gewinn für unser Team und die Menschen, die wir begleiten.
Ohne Menschen mit Migrationshintergrund wäre unsere Spitex nicht denkbar
Viele unserer Mitarbeiter:innen haben einen Migrationshintergrund. Ohne sie wäre unser Unternehmen nicht das, was es heute ist. Sie bringen nicht nur wertvolle Fachkompetenz mit, sondern auch unterschiedliche kulturelle Perspektiven, die die Pflege bereichern. In einer Zeit, in der der Fachkräftemangel in der Pflege immer deutlicher spürbar wird, sind wir dankbar für jede Person, die sich mit Herz und Engagement für die Betreuung unserer Klient:innen einsetzt.
Doch anstatt Migration als Bereicherung zu sehen, erleben viele Fachkräfte Hürden, sei es durch bürokratische Auflagen oder gesellschaftliche Vorurteile. Politische Entscheide müssen endlich anerkennen, dass das Gesundheitswesen ohne diese Menschen nicht funktionieren würde. Wer den Pflegenotstand ernst nimmt, muss sich für bessere Arbeitsbedingungen, faire Anerkennungsverfahren und gegen rassistische Strukturen einsetzen.
Ein Blick nach Österreich zeigt, dass Rassismus am Arbeitsplatz ein ernstzunehmendes Problem ist. Die AMS-Chefin (Arbeitsmarktservice Österreich), Petra Draxl, betont, dass Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund in österreichischen Betrieben weit verbreitet ist. Sie spricht davon, dass viele Unternehmen gut qualifizierte Bewerber:innen mit ausländischen Namen oder Wurzeln systematisch benachteiligen oder ausschliessen. Diese rassistischen Strukturen haben nicht nur negative wirtschaftliche Folgen, sondern verstärken auch den Fachkräftemangel, besonders in der Pflege. Diese Problematik betrifft nicht nur Österreich. Auch in der Schweiz müssen wir aktiv gegen solche Vorurteile vorgehen, um eine gerechte und zukunftsfähige Pflegebranche zu schaffen. (Quelle: Der Standard, 2024)
Rassismus im Pflegealltag – Ein ernstzunehmendes Problem
Laut einem Bericht von Crewlinq, einer deutschen Plattform für Pflegefachpersonen, erleben Pflegefachpersonen mit Migrationshintergrund häufig Diskriminierung. Sei es durch Kolleg:innen, Vorgesetzte oder sogar durch Klient:innen und deren Angehörige. Rassistische Äusserungen, Vorurteile oder die bewusste Ablehnung von Pflegefachpersonen aufgrund ihrer Herkunft sind keine Seltenheit. In manchen Fällen werden Fachkräfte mit ausländischen Wurzeln schlechter behandelt, bekommen unangenehmere Schichten oder werden in ihrer beruflichen Entwicklung benachteiligt. (Quelle: Crewlinq, 2024)
Diese diskriminierenden Strukturen sind nicht nur moralisch inakzeptabel, sondern gefährden auch die Qualität der Pflege. Wenn hochqualifizierte Pflegefachpersonen aufgrund rassistischer Vorurteile das Berufsfeld verlassen oder ihre Fähigkeiten nicht voll einsetzen können, leidet das gesamte Gesundheitswesen. Die Schweiz kann es sich angesichts des Fachkräftemangels nicht leisten, talentierte und engagierte Pflegefachpersonen zu verlieren. Es ist daher notwendig, Rassismus aktiv zu bekämpfen, klare Schutzmechanismen für betroffene Mitarbeiter:innen zu schaffen und Unternehmen sowie Institutionen stärker in die Verantwortung zu nehmen.
Notwendige Massnahmen gegen Rassismus in der Pflege
Um Rassismus im Pflegealltag nachhaltig zu bekämpfen, braucht es gezielte politische und betriebliche Massnahmen:
Stärkere rechtliche Rahmenbedingungen: Arbeitgeber:innen sollten gesetzlich verpflichtet werden, Antidiskriminierungsrichtlinien zu implementieren.
Verpflichtende Schulungen und Sensibilisierungstrainings: Für Pflegefachpersonen, Führungspersonal und Klient:innen, um Vorurteile abzubauen.
Bessere Anerkennungsverfahren für ausländische Fachkräfte: Bürokratische Hürden sollten reduziert werden, um die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Einrichtung von Beschwerdestellen: Pflegefachpersonen müssen die Möglichkeit haben, sich anonym über rassistische Vorfälle zu beschweren.
Fazit
Die Zahlen und Berichte zeigen deutlich: Rassismus in der Pflege ist ein ernstzunehmendes Problem, das nicht ignoriert werden darf. Es ist an der Zeit, dass Politik, Unternehmen und die Gesellschaft gemeinsam daran arbeiten, die Arbeitsbedingungen für alle Pflegefachpersonen zu verbessern und sicherzustellen, dass Diskriminierung in jeglicher Form nicht toleriert wird. Konkrete Massnahmen sind erforderlich, um die Vielfalt in der Pflege zu schützen und ein inklusives Arbeitsumfeld für alle zu schaffen.
Du bist von rassistischer Diskriminierung betroffen? Hier kannst du Hilfe holen:
Beratungsnetz für Rassismusopfer
Schweizweites Netzwerk mit regionalen Fachstellen.
Online-Meldung möglich.
Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB)
Nationale Anlaufstelle für Beratung und Koordination von Massnahmen gegen Rassismus.
Tel: +41 58 464 10 33
Mail: ara@gs-edi.admin.ch
www.edi.admin.ch – FRB
gggfon – Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus (Kanton Bern)
Meldestelle für diskriminierende Vorfälle in der Region Bern
Fachstelle für Migrations- und Rassismusfragen Stadt Bern
Regionale Beratung und Unterstützung bei Rassismus.
Tel: +41 31 321 72 00
Mail: fmr@bern.ch
www.bern.ch – FMR
Unia Gewerkschaft
Unterstützung bei Diskriminierung am Arbeitsplatz, besonders im Pflegebereich.
www.unia.ch – Antirassismus